EPR-Paradoxon: Die Auswahl

EPR-Paradoxon: Die Auswahl

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1.     EPR-Paradoxon

Aufgrund der Ergebnisse sowohl älterer als auch aktueller Experimente zum EPR-Paradoxon, wird die Existenz von ‚verborgenen Parametern‘ weitgehend ausgeschlossen. Diese Einschätzung mag wohl stimmen, wenn man die Aufgabenstellung so betrachtet, wie sie von den Experimentatoren vorgegeben wird. Ohne auf die Einzelheiten eines speziellen Versuches einzugehen, hört sich der auf das Wesentliche reduzierte Ablauf ungefähr so an:

·       Von einer Photonenquelle werde zwei Photonen (ein Photonenpaar) mit unbestimmter Polarisation emittiert, welche in ihrer Polarisation aber miteinander verschränkte sind.

·       Um eine räumliche Trennung zu gewährleisten, wurde der Versuchsaufbau so gewählt, dass sich die Photonen in entgegengesetzte Richtungen entfernen.

·       Zwei Polarisatoren sind so angeordnet, dass die Photonen diese zwar nacheinander aber fast gleichzeitig passieren.

·       Aufgrund der räumlichen Trennung wird davon ausgegangen, dass eine Kommunikation zwischen den beiden Photonen ausgeschlossen ist.

·       Die Wahrscheinlichkeit, dass das erste Photon den Polarisator passiert ist genau ½.

·       Die Wahrscheinlichkeit, dass das zweite Photon den anderen Polarisator passiert hängt von der Stellung des ersten Polarisators ab.

·       Ergebnis: Die Messung der Polarisationsrichtung des einen Photons legt augenblicklich die Polarisationsrichtung des anderen Photons fest.

·       Statistisch wurde aber nachgewiesen, dass die Polarisationsrichtung nicht bereits vor der Messung festgelegt war.

Das ist soweit alles richtig, und wahrscheinlich habe ich mich persönlich bereits schon zu sehr daran gewöhnt, um das ganze noch „paradox“ zu nennen. Aber genau das ist es.

Wenn man (so wie ich) nicht an den Fähigkeiten der Wissenschaftler zweifelt, welche in der Lage sind ein solch anspruchsvolles Experiment vorzubereiten und durchzuführen, muss die Lösung dieses Paradoxons wohl an einer anderen Stelle zu finden sein: Zwischen den Zeilen. Zu Hilfe kam mir dabei ein Problem mit der Erzeugung von Zufallszahlen.

2.     Zufallszahlen

Wer ein Bisschen programmieren kann, hat sicherlich schon einmal versucht mit den entsprechenden Random-Funktionen die Ziehung einer Lotterie (z.B. „6 aus 49“) zu simulieren. Programmtechnisch ist das wohl kein Problem, wenn man davon absieht, dass es sich hierbei nur um Pseudozufallszahlen handelt.

Man muss den Ausgabebereich einschränken (nur Werte zwischen 1 und 49 zulassen) und das Ergebnis eventuell noch runden (nur ganze Zahlen ausgeben). Eine Schleife sorgt dafür, dass genau 6 Zahlen ausgegeben werden.

Möglicherweise sieht man bereits beim ersten Testdurchlauf, dass sich Dopplungen ergeben, also eine Zahl in eine Ziehung mehr als einmal ausgegeben wird. Das lässt sich natürlich korrigieren, aber darum geht es nicht. Es geht um den Unterschied im Ablauf einer realen Ziehung und einer (auf die oben genannte Weise) simulierten Ziehung. Die beiden haben nichts gemeinsam.


 

 

Lotterie (6 aus 49)

Einfache Simulation

1

49 Objekte

7 Werte

2

Alle 49 Objekte beeinflussen das Ergebnis der Ziehung.

Keinerlei gegenseitige Beeinflussung der ermittelten Werte.

3

Duplikate sind unmöglich.

Duplikate müssen künstlich entfernt werden.

4

Die gezogenen Gewinnzahlen stehen in keinem Verhältnis zu den Eigenschaften der Kugeln (Lage, Form, Gewicht, Oberfläche,…)

Die ermittelten Gewinnzahlen sind direkt aus den Zufallszahlen zu berechnen.

 

Um der Realität möglichst nahe zu kommen, müsste die Simulation 49 Objekte (jedes durch einen ganzzahligen Index zwischen 1 und 49 eindeutig bestimmbar) enthalten. Alle diese Objekte benötigen eine weitere Eigenschaft (ein Attribut oder Wert), deren Ausprägung in keiner Beziehung zum Index steht und vor jeder Ziehung neu (durch eine zufällige Vergabe) festgelegt wird. Der Index darf die Vergabe nicht beeinflussen. Am Einfachsten ist natürlich wieder ein Zahlenwert. Der Ausgabebereich kann frei gewählt werden, die Genauigkeit ebenso. Es sollten nur ausreichend viele unterschiedliche Kombinationen möglich sein. Zum Beispiel Werte zwischen 0,000000 und 999999,999999, obwohl das für diesen Zweck schon ziemlich hoch gegriffen ist.

Um dann die simulierte Ziehung zu starten, sortiert man einfach alle Objekte aufgrund des vergebenen Attributes. Ob eine aufsteigende oder absteigende Sortierung benutzt wird, könnte auch jedes Mal „zufällig“ gewählt werden.

Die Indexwerte der ersten 6 Objekte entsprechen den 6 gezogenen Gewinnzahlen. Wenn wir uns jetzt einfach vorstellen, es würden nicht 6 Gewinnzahlen gezogen sondern nur eine einzige, können wir die simulierte Lottoziehung mit der Messung der Polarisationsrichtung in Beziehung setzen.

3.     Analogie

Kommen wir zu der Auflösung. Wie bei der sehr einfachen Lotto-Simulation am Anfang, in welcher die gezogenen Gewinnzahlen direkt aus den Zufallszahlen gebildet worden sind, gehen bisher alle Annahmen davon aus, dass durch die Messung der Wert Polarisationsrichtung direkt festgelegt wird. Das mag auch stimmen, wenn ein Photon mit bestimmter Polarisation den Polarisationsfilter passiert. Nach dem Durchgang durch den Filter stimmt die Polarisationsrichtung mit der am Filter eingestellten Durchlassrichtung überein.

Diese Auffassung wurde auch auf den Messvorgang an einem Photon mit einer unbestimmten Polarisation übertragen: Da gibt es kein Davor und kein Danach, keine Vorbereitung, keine Objektauswahl. Messung heißt Festlegung. Punkt. Wenn dann statistische Auswertungen (unter Zuhilfenahme der "Bellschen Ungleichung") auf die Einstellungen der Polarisatoren und die Ergebnisse der Detektoren gefahren werden, kann natürlich auch das Vorhandensein eines eventuell verborgenen Parameters verneint werden.

Wenn der Messprozess, der bisher als Ganzes betrachtet wurde, aber in seine möglichen Bestandteile zerlegt wird, kann der Ablauf auch folgendermaßen beschrieben werden:

Eine "Wolke" aus möglichen Photonen-Objekten, nähert sich dem ersten Polarisator. Die Objekte repräsentieren alle möglichen Polarisationen und keine Polarisationsrichtung ist doppelt vorhanden. Durch die Stellung des Messinstrumentes wird aktiv und gezielt eines der Objekte aus der Wolke herausgegriffen. Zufällig ist hierbei nur die Sortierungsrichtung: Es ist Zufall, ob ein Objekt ausgewählt wird, dessen Polarisationsrichtung entweder am besten oder am schlechtesten zu der Stellung des Messinstrumentes passt.

Durch diesen Auswahlprozess entsteht der Kollaps, welcher alle anderen nicht berücksichtigten Objekte aus dieser und der entgegengesetzten Wolke am anderen Polarisator entfernt. Was übrig bleibt, ist ein Photonenpaar. Nicht mit unbestimmter, sondern mit festgelegter (aber unbekannter) Polarisation. Nämlich entweder genau der Stellung des ersten Messinstrumentes entsprechend oder genau um 90° gedreht.

Und nun gibt es natürlich auch einen versteckten Parameter, welcher beim jetzt erst stattfindenden Messprozess zum Tragen kommt. Die Polarisation wird gemessen. Sie ist natürlich bei beiden gleich. Selbst bei unterschiedlicher Stellung der Messinstrumente wird sich statistisch nachweisen lassen, dass die Polarisationsrichtungen der beiden Photonen übereinstimmen.

Das Paradoxe ist nun nichtmehr die überlichtschnelle Übertragung einer bestimmten Eigenschaft von einem Objekt zum anderen, sondern die sofortige Vernichtung aller nicht gewählten Möglichkeiten, nachdem ein mögliches Objekt gewählt wurde.

Steinbach-Hallenberg, 12.01.2019

Stefan Ulbrich